Das kleine Vorderhaus an der Rue du Farbourg Bretonniere in Beaune macht nicht den Anschein als würden rund 45.000 Besucher jährlich durch das Tor in den dahinterliegenden Hof schreiten. Wer aber weiß, dass er nun eine der ältesten Senf-Manufakturen Frankreichs betritt, dem fällt auch sofort der würzige Duft von gemahlener Senfsaat auf. Entlang der Hofeinfahrt sind die Wachstumsstadien der Senfpflanze an die Mauern gemalt. Das museumspädagogische Konzept der Moutarderie Edmond Fallot hat noch Steigerungspotential. Bei einem Besuch der laufenden Produktionsstätte wird der Besucher selbst ein wenig zum Senfkorn.
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Hinter einer unscheinbaren Fassade verbirgt sich eine große Tradition. Seit 1840 produziert die Nummer vier der Senfproduzenten Frankreichs hinter diesen Mauern auf einem Grundstück im Herzen von Beaune: La Moutarderie Edmond Fallot
Doch nicht nur die Produktion auch die Geschichte des Dijon Senfs ist spannend. Erste Erwähnung findet Dijon Senf bereits im 13. Jahrhundert. Der Senf ist scharf und wird ausschließlich aus braunen oder schwarzen Senfkörnern hergestellt, die nicht entölt sind und kalt gemahlen werden. Dies verleiht dem Senf den intensiven Geschmack. Ein Rechtsstreit zwischen Senfproduzenten aus Paris und Dijon beendet 1937 per Richterspruch den regionalen Herkunftsschutz.
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Ein Lieferfahrzeug aus vergangener Zeit steht im Hof der Moutarderie Edmond Fallot
Die Bezeichnung Dijon-Senf ist fortan nicht mehr an den Ort, sondern nur an das Rezept gebunden. Die Globalisierung nimmt ihren Lauf. Große französische Marken wie Amora Maille werden vom Food-Giganten Unilever gekauft. Die letzte Senffabrik Dijons schließt 2009. Produktionsstätten werden nach Osteuropa verlegt und Senfkörner in Kanada eingekauft. Dijon steht nur noch auf dem Etikett und bedient den Kunden mit der Illusion von französischer Koch-Finesse.
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Caroline Riboteau zuständig für Führungen durch Museum und Produktiosnbetrieb bei Edmond Fallot erzählt Front Row Society Redakteurin Angela Berg von den Anfängen der Senf-Manufaktur, die 1840 in Beaune nahe Dijon begann.
Eine Klasse von Grundschülern zieht fröhlich plappernd an uns vorbei in das kleine Senf-Museum im Hinterhaus. Edmond Fallot ist der einzige noch in Familienbesitz verbliebene Senfbetrieb in Frankreich. Und hier sind wir auch schon mitten im Dilemma eines weltbekannten Produktes. Caroline Riboteau erklärt, dass jeder Hersteller auf der Welt Dijon-Senf vertreiben darf, solange er sich an das derzeit gültige Rezept hält. Die Franzosen verbrauchen mit 90.000 Tonnen im Jahr doppelt so viel Senf wie die Deutschen. Ein Franzose spricht sogar nur von Dijon, wenn er Senf meint und konsumiert dann doch zumeist ein rein ausländisches Produkt.
Rückeroberung der regionalen Identität
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Neuer Anlauf für eine geschützte Herkunftsbezeichnung. Der Senf aus Burgund wird mit Aligoté, einem Weisswein aus dem Burgund statt mit Essig produziert. Das macht ihn cremiger und feiner im Geschmack, aber auch weniger lange haltbar.
Seit einigen Jahren steuert die Moutarderie Edmond Fallot gegen die Globalisierung an. Fallot exportiert ebenfalls weltweit, ist in den USA und in Asien eine beliebte Marke, Spitzenköche schätzen die hohe Qualität und auch Paul Bocuse schwärmte einst von Fallots Können. Seit einigen Jahren arbeitet die Firma aber auch an der Rückeroberung einer regionalen Identität. 2019 wird das erste Jahr, in dem die Produktion zu 100 Prozent auf dunkle Senfkörner aus Frankreich zurückgreifen kann. Die Anbauflächen mussten über Jahre aufgebaut werden und ein Zukauf aus Kanada war bis 2018 unumgänglich, erklärt Caroline Riboteau.
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Einträchtig nebeneinander stehen die Lagerbehälter für Dijon-Senf und Burgund-Senf. 24 Stunden ruht der fertige Senf hier, bevor es in die Abfüllung geht.
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25.000 Gläser werden in der Fabrik von Edmond Fallot täglich abgefüllt.
Die Marke „La Moutarde de Bourgogne“ der Senf aus Burgund ist auch zu 100 Prozent aus Burgund. Dieser Senf wird mit Aligoté, einem Weisswein aus dem Burgund statt mit Essig produziert. Das macht ihn cremiger und feiner im Geschmack, aber auch weniger lange haltbar. Die Verwendung von Wein statt Essig ist auch eine Verbeugung vor dem Urrezept des frühen Dijon-Senfs. Dieser wurde mit Verjus, dem Saft aus unreif geernteten Trauben hergestellt. Doch diese Rezeptur wurde durch die große Reblausplage, die ganz Europa und insbesondere Frankreich Ende des 19. Jahrhunderts hart traf, beendet. Frankreich büsste in den Jahrzehnten der Plage bis zu 75 Prozent seiner Weinproduktion ein. Trauben, so sie noch wuchsen, wurden nicht für Verjus verschwendet und so wurde dem Senf Essig zugefügt. So bedeutete die Reblausplage nicht nur das Ende viele Winzer, sondern beeinflusste auch die Herstellung der traditionellen Senfsorte aus dem Burgund.
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Viele der aromatisierten Senfsorten enthalten noch die Senfschalen, gehören also zu den groben Senfsorten und sind mit weiteren Burgund-Spezialitäten wie Cassis, der schwarzen Johannisbeere oder mit Pain d’Epices, Lebkuchengewürzen, verfeinert.
Das aktuelle Sortiment von Edmond Fallot umfasst auch viele aromatisierte Senfsorten. Besonders erwähnenstwert sind zwei körnige Senfsorten die jeweils noch eine weitere Burgund-Spezialität enthalten. Zum einen Cassis, die schwarzen Johannisbeere und das Pain d’Epices, ein Lebkuchengewürze mit einem schönen Anis-Akkzent.
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Natürlich gibt es auch einen Verkaufsraum mit sämtlichen Produkten von Edmond Fallot und probieren ist höchst erwünscht.
Produktvielfalt – viele Sorten…
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Neben Weinbergern, Flüssen und Kanälen prägen auch die weißen Charolais Rinder das Landschaftsbild im Burgund.
Und was hat diese Kuh mit Senf gemein? Erstens ist sie selber einer Spezialität aus dem Burgund. Aus dem weißen Charolais-Rind wird das berühmte Boeuf Bourguignon, ein Schmorgericht mit Rindfleisch und Burgunderwein. Viele weitere Gerichte mit dem Fleisch des Charolais Rinds findet man auf den Menükarten der Restaurants und Bistros, Zweitens fallen bei der Herstellung von feinem Senf, also dem Klassiker Dijon Senf und dem Burgund Senf durch Aussieben Senfschalen als Abfall an. Diese Schalen sind noch höchst nahrhaft und werden gerne der weißen Rinderrasse als Zusatzfutter aufgetischt.