Lutz Geißler

Wenn ein gelungener Ausbund Freude bereitet.
Ein Gespräch mit Lutz Geißler – Geologe und Bäcker aus Leidenschaft.

Es gibt zwei Arten Brot zu backen, mit Sauerteig oder mit Hefe. Das Backen mit Natursauerteig ist die traditionelle und reinste Form des Backens. Es ist bekömmlich und lange haltbar. Gekaufte Brote bestehen heutzutage meist aus Backmischungen mit unübersichtlich vielen Zutaten. Für ein Sauerteigbrot braucht man im Grunde nur Mehl, Wasser, Salz und Zeit!

PSS_LG_WS01Zeit ist die Seele guten Brotes. Das hat uns Lutz Geißler als Widmung in sein Buch geschrieben. Und Zeit haben wir uns für den Sauerteig-Workshop genommen. Sechs Stunden Theorie und Brotbackpraxis in einer Profiküche in Berlin:

Fotogalerie zum Brotbackkurs Crashkurs Sauerteig mit Lutz Geißler und Manfred Schellin

PSS_LG_WS03Die Teilnehmer haben fast alle Sauerteig-Vorkenntnisse, kommen aus der ganzen Republik für diesen Workshop angereist und sind vom Faszinosum Brotbacken vereinnahmt. Lutz Geißler ist Autodidakt, hat mit vielen Backversuchen, aber auch hilfreichen Quellen im Internet und Erfahrungen aus professionellen Backstuben, sein eigenes Wissen genährt. Seine Pionierleistung ist das Brotbackbuch Nr. 1 – Grundlagen und Rezepte für ursprüngliches Brot. Es richtet sich an Menschen, die gerne backen möchten und dabei Wert auf Tradition und Qualität legen.

Gut sechs Wochen nach dem Workshop kann ich sagen, der Plan ist genauso prächtig aufgegangen, wie unser Weizensauerteig in seinem Gärkorb! Bei uns kommt nur noch ursprüngliches und ehrliches Weizen- und Roggensauerteigbrot auf den Tisch. Auf Workshops und Veranstaltungen wird jetzt Peter’s Landbrot gereicht. Ein Brot aus getrennt geführtem Weizen- und Roggensauerteig. Herrlich der Geruch am Backtag und das Anschneiden von gerade erst abgekühlten Broten.

Ich kann Lutz Geißler, den Geologen, jetzt gut verstehen. Selbst gebackenes Brot betrachtet man viel aufmerksamer. Der gezackte Ausbund und sein Übergang in den glatteren Teil der Kruste hat viel von einer Landschaft! Und beim Anschneiden ist man gespannt, wie die darunter liegende Schicht, die Krume ausschaut.

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PSS_LG_WS15Lutz Geißler über unser tägliches Brot

In jedem Bericht über dich steht, dass du das Brotbacken 2008 als Ausgleich zum Studium begonnen hast. Andere machen Yoga oder gehen Angeln, du hast Brot gebacken. Hört man dir heute in deinem Workshop zu, so finden sich Ausdrücke, die ich eher der Geologie als dem Bäckerhandwerk zuordnen würde. Du sprichst bei der Beschreibung eines Brotlaibes von der Wölbung, die in die Ebene übergeht.

Geologie und Backen haben beide etwas mit Zeit zu tun. Gibt es eigentlich auch Situationen, in denen du ungeduldig wirst?
Nein, eigentlich nicht! Höchstens im Nachhinein, wenn etwas nicht gelungen ist, dann ärgere ich mich, weil ich es noch mal machen muss.

 

Ist nur deine Sprache geologisch angehaucht oder hat die Geologie noch auf anderer Ebene in deiner Backstube Einzug gehalten?
Wo der Geologe ganz klar bei mir durchkommt, dass ist bei den Backsteinen. Die Wahl fiel auf Tuff als reinen Naturstein: ein Stein, der 30 Millionen Jahre alt und aus Vulkanasche entstanden ist. Damit backe ich lieber, als mit einem unpersönlichen und künstlichen Schamottstein.

Deutschland gilt als Land der Sortenvielfalt. Gibt es noch andere Länder, in denen du ein besonders tolles Brot entdeckt hast?
Wenn ich wählen dürfte, wo ich nach dem Brotangebot leben wollte, dann wären es immer Deutschland oder Österreich. Frankreich ist mir ein wenig zu monoton und weizenlastig. Auch wenn es tausend schöne Formen gibt, aber es ist einfach zu viel Weizen. Da fehlt mir das herzhafte Roggenbrot. Ansonsten ist in den letzten hundert Jahren viel Vielfalt verloren gegangen. Vor allem Formenvielfalt beim Kleingebäck, wie den Brötchen. Ich besitze Bücher aus der Zeit um 1900. Dort sind nach Städten geordnet Spezialitäten abgedruckt – leider ohne Rezept. Ich bin zum Beispiel häufiger in Dresden und begebe mich dann immer auf die Suche. Ich habe nur noch zwei spezielle Brötchensorten gefunden im Vergleich zu den mindestens zehn, die es um 1900 gab. Ansonsten nur die Massenware, wie es sie überall gibt.

Sind denn die alten Rezepte verloren gegangen?
Oft handelt es sich um ähnliche Grundrezepte, aber durch die Form verändert sich auch der Geschmack. Je nachdem wie viel Kruste an der Krume hängt. Es macht einen Unterschied, ob man ein Baguette isst oder ein Ficelle. Beide haben die gleiche Länge, aber das Ficelle hat viel mehr Kruste im Vergleich zur Krume. Auch beim Brötchen macht es einen Unterschied, ob es hoch oder flach ist. Denn auch der Kaueindruck trägt zum Geschmacksempfinden bei.

Was ist dein Lieblingsgetreide?
Der Roggen. Allerdings bin ich hier etwas zwiegespalten. Denn wenn es um die schönen Formen geht, dann ist es der Weizen. Beim Geschmack ist es der Roggen. Beim Roggen hat man nicht viel Auswahl bei der Form. Entweder Kastenbrot oder rund oder lang. Weizen dagegen, reagiert elastisch und kann in viele verschieden Formen gebracht werden, ohne dass er dir in die Breite läuft.

Wie halte ich mein Brot am besten frisch?
Der Trick ist ein guter Rezeptautor! Im Teig muss möglichst viel Wasser sein. Auch gebundenes Wasser, so dass man den Teig noch handhaben kann. Die Grundregel lautet: Je mehr Arbeit du in das Brot steckst, bevor du den Teig machst, um so länger hält es auch frisch. Für die Aufbewahrung gilt: das Brot auf die Schnittstelle stellen und in einen Tontopf packen.

In punkto Frische wurde ich bei Dinkelbrot immer wieder enttäuscht. Kaum angeschnitten ist es auch schon trocken. Wie kommt das?
Bäcker behandeln die Getreidesorten oft alle gleich. Dinkelmehl braucht in der Verarbeitung, also auch im Vorteig, mehr Wasser als Weizenmehl. Wenn man es ihm nicht gibt trocknet das Brot dann so schnell aus.

Was hälst du davon, Brot einzufrieren?
Das mache ich selber auch – der Not geschuldet, weil ich nicht jeden oder alle zwei Tage backen kann. Ich backe alle drei Wochen und dann wird das Brot in Gefrierbeutel gepackt und eingefroren. Wenn die Brote nicht gerade sechs Monate im Tiefkühlfach liegen, schmecken sie nach dem Auftauen auch fast wie frisch gebacken.

Dein liebster Brotbelag?
Butter – nichts als Butter. Am liebsten sogar gar nichts. Ich esse Brot häufig auch einfach so. Denn wenn ich ein Brot so essen kann, dann ist es auch ein gutes Brot. Das ist meine individuelle Definition von Brot. Wenn es schmeckt und ich mehr davon essen möchte, dann ist alles gut gelaufen! Wenn es nur mit Belag genießbar ist, dann ist etwas schief gelaufen.

Gibt es Brot, das du nicht magst?
Sehr ungern essen würde ich ein Früchtebrot oder Kletzenbrot. Ich bekomme oft Anfragen, ob ich das mal backen könnte, aber ich wehre mich dagegen, weil ich es nicht mag. Es besteht aus vielen Trockenfrüchten und Roggenteig.

Das erste oder letzte Stück vom Brot heiß wie? Bei uns ist es das Knäppchen.
Bei uns ist das der Kanten. Der Brotkanten. Ich kann mich aber eher für die Scheiben erwärmen, als für den Kanten. Den esse ich, weil er da ist!

Ich habe dir Erdmandelmehl mitgebracht. Es hat eine hohe Eigensüße. Hättest du eine Idee, was man daraus machen kann?
Als Zumischung ist es bestimmt backfähig. Ich schau es mir mal an, und dann bau ich ein Brot daraus.

Angela Berg, Januar 2015

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